„Waldmüllers Margret“, die Schaumburger Oper …

In Zeiten der Corona-Pandemie haben wir ja etwas Zeit, uns z.B. mit kulturhistorischen Themen zu beschäftigen. Auch wenn sie etwas „schwerer“ und mit fast zwei Stunden zeitintensiver sind. Gern liefere ich etwas Stoff dazu.

Hintergrund

Das Melodram „Waldmüllers Margret“, getextet von Julius Rodenberg und vertont von Heinrich Marschner, wurde 1855 in Hannover uraufgeführt. Dann wurde es noch einmal 1990 in Rodenberg, also vor 30 Jahren, in einer aufwändigen Inszenierung erneut zur Aufführung gebracht. Die lokale Presse jubelte und sprach damals von „DER Schaumburger Oper“!

Bühnenhintergrund

Heinrich Marschner (1795-1861) war ein deutscher Komponist der Romantik, Kapellmeister und u.a. königlicher Hofkapellmeister in Hannover. Marschner hat aufgrund der guten Kontakte zu der aus Hannover stammenden Mutter von Julius unsere Stadt Rodenberg mehrmals besucht. In der Dt. Rundschau Nr. 85 aus dem Jahr 1895 widmet Julius Rodenberg ihm unter dem Titel „Aus der Jugendzeit, Heinrich Marschner“ ein umfangreiches Kapitel. Unter anderem erinnert er sich an selbst inszenierte Aufführungen im Stockholm vor den Augen und Ohren des Kapellmeisters.

Bei einer dieser Begegnungen überreichte Julius Herrn Marschner eine Mappe mit Texten zu einem Meldodram mit dem Namen „Waldmüllers Margret“. Um so erfreuter war er, als Marschner ihm einige Jahre später die Vertonung überreichte. Nicht nur das: Das Melodrams gelangte 1855 nach einigen inhaltlichen Veränderungen aus Rücksicht zum hannoverschen Königshaus – Julius hatte sich an den ihm bekannten hessischen Rahmen gehalten – zur Aufführung im Opernhaus von Hannover und ein Jahr später auch in Leipzig. Julius war da gerade 24 Jahre alt. In der Landeshauptstadt erinnert heute eine Bronzestatue in der Georgstraße an H. Marschner.

In seiner Einführung spielt der Ohndorfer Oskar Wedel auf eine (vom angesehenen Musikhistoriker Philipp Spitta) angeregte Wiederaufführung des Melodrams an, welche J. Rodenberg jedoch vehement ablehnte. Sein Biograf H. Spiro zufolge war Julius das Stück aus dem Jahr 1888 rückblickend „zu leicht und inhaltslos“. Julius war zu dem Zeitpunkt schon lange zum „Literaturpapst des Kaiserreiches“ aufgestiegen und an seine sentimentalen und sehr romantischen Frühwerke wollte er wohl nicht erinnert werden …

Die Neuaufführung

Es gibt sicherlich viele Details zur neuen Aufführung. So wurden der Einführung von dem neuen Kapellmeister Hansjürgen Lemme zufolge die Texte von Oskar Wedel „modernisiert und in Verse gesetzt“. Hansjürgen Lemme selbst hat die damals 140 Jahre alte Partitur auf die Solisten, Chöre und das ca. 30 Köpfe zählende Orchester transponiert und adaptiert.

Die Aufführung in der Aula des Rodenberger Schulzentrums konnte aber nur aufgrund einer intensiven Recherche der Autorin Eva Rademacher stattfinden. Offenbar war die Partitur mitsamt der Texte verloren gegangen. Eva Rademacher hatte in den Jahren zuvor schon Texte  zu J. Rodenberg verfasst und Vorträge in Rodenberg gehalten. Den einführenden Worten von Oskar Wedel zufolge spürte sie die Partitur in Berlin und/oder Wien auf.
Nicht zu vergessen sei das finanzielle Engagement der damaligen Volksbank Rodenberg, die durch sicherlich nicht unerhebliche Beträge zur Aufführung beigetragen hat.

Die Technik

Die Aufführung ist künstlerisch sehr hochwertig. Das große Orchester, die Chöre und Solisten passen wunderbar zusammen. Alles ist aus „einem Guss“. Nicht zuletzt durch die großartige Arbeit von Oskar Wedel und Hansjürgen Lemme.

Um so ärgerlicher ist es, dass die Aufführung lediglich mit einer amateurhaften VHS-Kamera mit nur einem Mikrofon aufgezeichnet wurde. Der Standort des einzigen Mikrofon war dann auch noch an der Kamera: Hinter den Zuschauern und nicht etwa vor der Bühne oder vor dem Orchester. Gut zu hören ist natürlich der Applaus und jeder Huster im Publikum. Das Orchester klingt trotzdem überraschend gut. Schwierig wird es bei den Monologen und Dialogen auf der Bühne. Da war die Entfernung zum Mikrofon einfach zu groß. Hinzu kommen die für die damals analogen Aufnahmetechnik typischen Rausch- und Brummgeräusche.

Das hätte man besser machen können, denn vor dreißig Jahren gab es bessere Aufnahmetechnik. Die Aufführung wäre es auch wert gewesen, gerade vor dem Hintergrund, dass sich sowas nicht so einfach wiederholen lässt! Ich habe mich nach einigen Versuchen die Qualität zu verbessern auf die reine Konvertierung für YouTube beschränkt. Allerdings wurde von mir eine unangenehme Resonanz bei gut 2 Khz bedämpft, was dem Ton etwas mehr Transparenz gibt. Am unteren Bildrand war ein für VHS typischer und störender „Flimmerrand“ zu sehen, den ich beschnitten habe.

Um das auf VHS-Kassette enthaltenen Werk hier darzustellen, waren einige Abende, der Einsatz von diversen Programmen (neudeutsch: Apps)  sowie viel Geduld erforderlich. Der Durchlauf eines Konvertierungsschrittes erfordert trotz aktueller Hardware schon mal drei Stunden pro Akt …
Ein kulturhistorisches Juwel der Nachwelt zu erhalten war mir diesen Aufwand wert.

Das Werk auf YouTube:

Vorspann aus der org. Videokassette mit der Nennung aller an der Aufführung Beteiligten. Musik (neu hinzugefügt) „Wohlauf in Gottes Schöne Welt“, gespielt von Emile Waldteufel.

Erster Teil mit einer Einführung von Oskar Wedel und Hansjürgen Lemme. Wer sich die schlecht zu verstehende Einführung sparen möchte sollte bei knapp 8 Minuten in die wunderbare Ouvertüre einsteigen.

Zweiter und letzter Teil der Aufführung.

Der ursprüngliche Text zum Melodram zum mitlesen …