Der Stadtbrand 1859. Eine Aufarbeitung … Teil I/II

Am Abend des 05. November 1859 stand die Innenstadt Rodenbergs in hellen Flammen. Kein Ereignis davor und danach hat das ehemals mittelalterliche Bild der Stadt so verändert wie diese Brandkatastrophe.

Im letzten Jahr jährte sich das Ereignis zum 160sten Mal. Trotz durchwachsenen Wetter war die Resonanz auf einen damals angebotenen Stadtrundgang überwältigend. Berichtet habe ich hier und hier.

Das im letzten Jahr vorgetragene Hörspiel könnt ihr euch hier noch einmal anhören. Also: Kopfhörer aufsetzten, Augen schließen und 10 Minuten Gänsehautfeeling genießen.

Wenn ich das Thema noch einmal aufgreife, dann deshalb, weil es aus der damaligen Vorbereitung aber auch aus anschließenden Erkenntnissen sehr viel spannendes Material gibt, welches ich euch nicht vorenthalten will.

Im ersten Teil hier geht es um die Brandentstehung, -Ausbreitung und das Eindämmen der Katastrophe.
Der Teil II ist der nachfolgenden Zeit gewidmet, wie das Spendenaufkommen und die Versicherungszahlungen.

Der zeitl. Ablauf als Animation. Klick für groß. Bearbeitung von H. Finger und J. Siebold.

Die Bearbeitung der o.a. Animation erfolgte anhand von damaligen Versicherungsunterlagen. Damit ist der Schaden hausgenau erfasst. Der Ausschnitt der Karte der Stadt Rodenberg von 1777 (© Nds. Landesarchiv BU S 1 B 10334), eine Darstellung, die dem Brandereignis am nächsten liegt, wurde von J. Siebold bearbeitet. Die Recherche im Versicherungsarchiv wurde von H. Finger eingearbeitet.

Ein wertvolles Zeitdokument hat mir Fritz Hecht zugesandt: zwei Briefe von Dorothee Meierhof, seiner Urgroßmutter mütterlicherseits, die von der Brandkatastrophe ihrem Bruder berichtet:

Lieber Bruder!
Eine erschreckliche Nachricht habe ich dir mitzuteilen, denn Rodenberg ist von einer Feuersbrunst heimgesucht worden, so fürchterlich wie seit Menschengedenken in keinem Orte der Grafschaft Schaumburg vorgekommen ist. Am letzten Sonnabend Abend sind wir schon wieder durch Feuerlärm erschreckt worden. Es brannte im Brauhause und obgleich Menschen genug zur Hülfe herbei eilten, so war das Feuer im Innern des Gebäudes so ausgebreitet, dass es nicht mehr bewältigt werden konnte. Es zersprengte Dach und Fenster, ergriff nun bald die zwei nächsten Gebäude und wurde alsdann von dem rasenden Südweststurm Quer durch Rodenberg getrieben. Und da hat es noch so viel Unheil angerichtet, dass ich dir nicht schreiben kann, nämlich da hat es den (Anm.: Rats-)Keller, die Renterei und das Amt (Anm.: Vorburg) und die ganze Conduction (Anm.: Domäne) verzehret sogar auch das Schloß. Von welchem nur die alte Mauer steht und links noch etwas von dem Gebäude. So sind es zusammwen 32 Häuser, die das Feuer verzehrt hat.
Es grüßt dich
Deine Schwester Dorothee Meierhof
Rodenberg den 10ten Nov. 1859

Lieber Bruder!
Du wünschest von mir zu erfahren, wie es den Abgebrannten in Rodenberg ergeht. Darauf kann ich dir folgendes erwidern. Es ist Niemand bei dem Brannte ums Leben gekommen, doch sind einige Personen arg verletzet.

Bei der damaligen Arbeit an dem Thema stellte sich die Frage, was zu der schnellen Ausbreitung des Brandes beigetragen hat. Ausgebrochen war der Brand in der „Darre“ des Brauhauses, welche zum Rösten der Gerste zu Malz dient. Die war wohl ein wenig zu heiß geworden. Es war ferner der schon vor dem Brand stark aus Südwest wehende Novemberwind, der Säcke mit brennbaren Material vom Brauhaus in der Echternstraße über die gesamte Innenstadt verteilte. A. Mithoff und auch andere berichten über fliegende „brennende Kornsäcke“. Das wird so nicht gewesen sein, denn Kornsäcke sind zu schwer zum fliegen. Es könnten eher Säcke mit getrockneten Hopfendolden gewesen sein.

Ein anderer Aspekt kam hinzu: Stroh- oder Reetdächer waren in den engen Innenstadtlagen schon lange verboten. Aber die damals gegen Flugschnee nicht dicht schließenden Dachpfannen wurden mit Stroh, sogenannten Strohdocken abgedichtet, um die auf den Dachböden lagernde Ernte vor Nässe zu schützen. Waren diese Strohdocken an sich schon entzündlich – doch waren sie schon älter – brannten sie wie das sprichwörtliche Zunder und waren damit geeignet, innerhalb kurzer Zeit einen Dachstuhl vollständig in Brand zu setzen. Der Dachdeckermeister Hans Heinrich Hartmann hat auf diesen Aspekt aufmerksam gemacht. Besten Dank dafür!

Wesentlichen Anteil an der Eindämmung des Brandes hatten die „nach Mitternacht von Hannover eintreffenden Kompanie Pioniere“ (A. Mithoff). Doch wie kamen die so schnell, ca. drei Stunden nach Ausbruch des Brandes, von Hannover nach Rodenberg?

Dabei spielt die 1847 eröffnete Bahnstrecke von Hannover nach Minden eine wichtige Rolle. Es ist überliefert, dass die Kompanie samt Ausrüstung von Hannover nach Haste mit dem Zug gefahren ist.  Ob es ein fahrplanmäßiger Zug war und ob dieser dann auch pünktlich war, ist nicht überliefert …
Den Rest der Strecke nach Rodenberg erfolgte mit Pferdegespannen. Auch die Alarmierung erfolgte sicherlich über den Telegrafen in Haste, über den damals schon jeder Bahnhof verfügte.

Mit gewissen zeitlichen Abstand zum Brand bedankten sich die Rodenberger bei König Georg V. von Hannover für die Hilfe.  Über die nette Reaktion des „blinden“ Königs und Anderes berichte ich im Teil II.