Grover Skiffle Team, Teil 2/2

Der ersten Teil zum Thema behandelte die „Findungsphase“ der Musikgruppe – im zweiten Teil soll die weitere „Karriere“ der Gruppe geschildert werden. Ein seltenes Filmdokument zeigt den ersten Auftritt beim Rodenberger Straßenfest und ein weiteres Video zeigt: Rodenberger Skiffle lebt!

Rolli, Werner und ich trafen uns ein paar Mal und übten ein kleines Repertoire ein. Kurz darauf folgte schon der erste „Gig“. Es war im Stockholm und muss ein Spartenball (Tennis?) des SGR gewesen sein. Der damalige jazzbegeisterte Inhaber eines Rodenberger Schuhhauses hatte uns für eine Pauseneinlage engagiert. Alles „unplugged“ aber mit angenehmer Tuchfühlung.

Der Zuspruch dort war offenbar groß, denn wir machten weiter. Nach kurze Zeit kam noch Walter B. aus der Echternstraße dazu. Zu „Grove“ gehörte er nicht wirklich aber um so besser zum „Team“. Die Teekiste für seinen Bass holten wir bei der Fa. Machwitz Kaffee ab. Die am Marstall in Hannover ansässige Kaffeerösterei handelte damals auch mit Tee. Die Kiste mit dem aufgepinselten kreisförmigen Logo steuerte ich als Bundeswehrsoldat bei. Ursprünglich war es eine Munitionskiste …

Doch als neugegründete Skiffle-Band braucht man auch Inspirationen oder Vorbilder. Zunächst gab es die Gospel-/Spritual-Szene wie z.B. das damals populäre „Golden Gate Quartett“ oder die Oldtime-Jazz Bands wie die von Chris Barber mit entspr. Stücken. Die gab’s auf Platte und ab- und an auch im Fernsehen. Klassische Skiffle Stücke wie die von Lonnie Donegan waren da schon rarer, denn glaubt man Wikipedia:

Ab 1959 verschwand Skiffle weitgehend aus der Popmusik, (…) Ab 1962 dominierte die Beatmusik die Hitparaden und verdrängte damit die Skifflemusik.

Karmaschstraße in Hannover, im Vordergrund das Alte Rathaus.

Entgegen diesem Trend entwickelte sich rund um Hannover Mitte der 70ger Jahre eine neue Skiffle Szene. 1972 wurde die Bourbon Skiffle Company im „Leine Domizil“ gegründet. Die Musikkneipe befand sich in der Karmarschstraße gegenüber der Markthalle und bot zumindest am Wochenende ein Live-Programm mit meist regional angesiedelten Musikgruppen an.

Alle Mitglieder des Grover Skiffle Teams und auch div. Fans hatten frisch den Führerschein und so wurde das Leine Domizil auch zu unserem Domizil. Stammgruppe dort war die schon erwähnte Bourbon Skiffle Company, die schon einige Inspirationen bot. Allerdings war sie uns mit einem Elektrobass und einem ausgebildeten Jazzpianisten am Klavier etwas zu „glatt“.

Skiffle ist Musik, die auch auf unkonventionellen, improvisierten Instrumenten gespielt wird. Neben der Gitarre und dem Banjo findet man häufig Waschbrett und Waschwannen- oder Teekistenbass, selbst Geräte wie Eimer, Tonne und Gießkanne finden Verwendung. (Wikipedia)

Da gab es noch eine andere hannoversche Gruppe, die eher unserem musikalischem Geschmack entsprach: Die CADDY LTD. SKIFFLE GROUP, die bereits 1970 von vier Studenten der dortigen Uni gegründet wurde. Tatsächlich war die Gruppe weniger in Kneipen sondern eher im Umfeld von Studentenpartys der Uni zu hören. Es war nicht so leicht an einen der Auftritte zu kommen. Wenn es denn gelang, war es ein akustisches, visuelles und kabarettistisches Highlight. Allein die Dialoge zwischen den Stücken waren göttlich. Vordergründig spontan, aber sicherlich sehr genau einstudiert. Es war die Zeit von Insterburg & Co….

Nachträglich ist festzustellen, dass sich unser Repertoire zu 70% mit dem der Caddy Skiffle Group deckte, wobei deren englischsprachiges Repertoire im wesentlichen aus Lonnie Donegan Stücken bestand.

Das Kazoo als Instrument hatten wir inzwischen auch entdeckt – genannt: „das Saxofon für Arme“ oder „das Instrument, welches jeder spielen kann…“.

1975 hatten wir dann den ersten „großen“ Auftritt. Am östlichen Ende der Echternstraße stand ein Lkw-Anhänger von der Herforder Brauerei, der nur einen Fehler hatte: Für uns alle recht Großgewachsenen war das Dach deutlich zu niedrig. So verbrachten wir den ganzen Abend in gebückter, demütiger Haltung. Es gibt ein Filmdokument vom damaligen Stadtfilmer (Name?) dazu, welches zwar mit viel (schrägen) Tönen von uns unterlegt ist, aber nur einige sehr kurze Bildschnipsel unseres Auftritts enthält.

Ja, in der Echternstraße ging es feuchtfröhlich zu ..!

Die Straßenfestauftritte entwickelten sich in den kommenden Jahren zum Kult. Man traf sich in der Echternstraße. Um die Musik zu ertragen oder sich gar von ihr begeistern zu lassen, war ein gewisser Alkoholpegel nicht schädlich. Aber dann ging’s ab! Der enge Kontakt zum Publikum war sicherlich ein Aspekt: Man brüllte uns von vor der Bühne einfach die Wünsche für das nächste Stück zu, so wie: „ICE CREAM!!!“. Und wir dann: Oh Nein! Nicht schon wieder!“

Natürlich ging das alles nicht mehr unplugged. Wir träumten von einer kleinen Gesangsanlage mit einem richtigen Mischpult und den für vier Instrumenten plus Gesangsstimmen notwendigen (min. 8) Kanälen. Doch angesichts der mickrigen Gagen bei einer sehr überschaubaren Anzahl von Gigs blieben es Träume. Das Geld reichte gerade für den Sprit zum nächsten Auftrittsort und das Bier für die Übungsabende …
Wir bauten uns dann selbst ein paar Boxen anhand von ausspionierten Mustern von den hannoverschen Musikalienhändlern. Ich kann mich auch an Versuche erinnern, welche zum Ziel hatten, den Gesang etwas aufpeppen. Dazu gab es „Hallspiralen“, die sehr stoßempfindlich waren und sich als nicht Bühnentauglichkeit erwiesen. Kernstück der Anlage war ein Röhrenverstärker Dynacord Eminent II, der immerhin Eingänge für vier Mikrofone bot und mit 80 Watt für Beschallung der Echternstraße ausreichen musste.

Dazu muss man wissen, dass die für eine Beschallung im Freien deutlich mehr Leistung benötigt wird als in geschlossenen Räumen. Eine Steigerung dieses Effekts lernten wir bei einem Auftritt in einem Zelt (Rolfshagen?) kennen: Geschätzte fünf Meter vor der Bühne kam beim Publikum fast kein Ton mehr an. Die Gespräche vor der Bühne waren lauter als die Musik …

Einen geschlossenen Raum gab es einmal zum Martinimarkt im Saal des Ratskellers. Zum Martinimarkt, der letzte der traditionell abgehaltene Markt von ursprünglich vier der Stadt, war es damals noch Tradition, dass jeder große Gasthof abends zum Tanz einlud. Die umliegenden Dörfer deckten sich auf dem Markt nicht nur mit Gebrauchsgegenständen ein, sondern auch mit Bräuten. Nicht zuletzt hat der Markt im ebenfalls schaumburgischen Wiedensahl auch den Namen „Heiratsmarkt“. Jedenfalls wurden wir zum ersten Dienstag im November – war es 1975 oder 1976? – zum aufspielen in den mehr als 110 Jahre alten Saal gebeten.

Die Stimmung kochte über! Irgendwann gab es ein Stück ohne mein Banjo und ich ging von er Bühne Richtung Ausgang. Gefühlt bewegte sich der Saalboden unter den Tanzenden um einige beängstigende Dezimeter auf- und ab. Nach meiner Erinnerung war es bis zur grundlegenden Sanierung ab Anfang 2000 die letzte Tanzveranstaltung in dem Raum…

Bis zu einer beruflichen Veränderung, verbunden mit einem Umzug nach Flensburg, Ende der 70ger war ich noch dabei. Mein Nachfolger am Banjo wurde Klaus K. – der spielte dann auf einem Gitarrenbanjo. Es kam noch ein weiterer Mitspieler an der Elektrogitarre  dazu – der Name ist mir entfallen – und irgendwann war dann auch Schluss. Nicht zuletzt durch die zunehmende Kommerzialisierung des Straßenfestes,  fehlte die Grundlage für Auftritte lokaler Musikgruppen. Hinzu kam das Aufkommen der Top-40 Coverbands wie Extra-Dry oder Skyliner. Das junge Publikum fühlte sich dann eher zu denen hingezogen.

Bleibt noch festzustellen, das die BOURBON SKIFFLE COMPANY bis zum Jahr 2019 bestand und die CADDY SKIFFLE GROUP, bedingt durch den Tod Ihres Leaders, seit dem Januar 2020 nicht mehr auftritt.

Doch die Legende lebt: Im Umland von Hamburg ist Rolli D. noch aktiv auf Waschbrett in der „New Skiffle Gang“. Hier eine Video von einem Auftritt in der ehrwürdigen Hamburger „Fabrik“. So einige Stücke sind aus dem Repertoire des Grover Skiffle Teams, u.a. ab Minute 22:30 ein schönes Stück „Hallo kleines Fräulein…“ mit Rolli als Sänger …

Bleibt noch anzumerken: Das Banjo im Film ist ein Ukulelenbanjo. Was es nicht alles gibt … ;o)