Ist Julius Paul Reuter ein Rodenberger?

Am 21.09.2020 stand es schon im Zusammenhang mit Johan Anton Coberg in den Schaumburger Nachrichten: Julius Paul Reuter sei ein Kind Rodenbergs gewesen. Nun habe ich gestern den Redakteur auf seinen Irrtum aufmerksam gemacht, doch das war wohl zu spät, denn das gleiche stand heute im Schaumburger Wochenblatt.

Israel Beer Josaphat 21 July 1816 Kassel, Germany

Julius Paul Reuter ist der Gründer der Nachrichtenagentur REUTERS und ist 1816 in Kassel geboren. Damit dürfen wir einen „großen Sohn der Stadt“ gleich wieder abgeben. Aber wir haben mit J. A. Coberg ja gerade einen wiedergefunden …

Und doch es gibt eine Verbindung Reuters zu Rodenberg. Sogar im doppelten Sinn: Zur Stadt genauso wie zu Julius Rodenberg. Er war es, der diese Verbindung in seinem Buch „Aus der Kindheit“ (es gibt noch Restexemplare in der Deisterbuchhandlung!) beschrieb: Ist Julius Paul Reuter ein Rodenberger? weiterlesen

Vor 20 Jahren: Ankauf und Ausbau des Ratskellers

Die erste Etage. Blick in das „Turmzimmer“. Heute der obere Restaurantraum.

Das Jahr 2000 war ein aufregendes Jahr! Die etwas älteren Leser (> 30), hatten das seltene Glück eine Jahrtausendwende erleben zu dürften. In Hannover fand die EXPO 2000 statt – ein Jahrhundert-Ereignis für Deutschland und die Region, allerdings blieb das Ergebnis hinter den Erwartungen zurück.
Ich selbst partizipierte in meinem Job vom  „Jahr-2000-Problem“ – in IT-Fachkreisen auch „Y2K-Bug“ genannt.

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Die Hausnummern in der Stadt Rodenberg

Über die Entstehung der heutigen Hausnummern in Grove hatte ich bereits berichtet.

Die Stadt Rodenberg bekam zum gleichen Zeitpunkt wie Grove die heutigen Hausnummer, doch deren Vorläufer, also die alten Hausnummern,  wurden nicht nach Besiedlungszeitpunkt oder Steuerkraft, sondern planmäßig verteilt.

Kurz zur Entstehung  der Stadt: Nicht wenig deutsche Städte und stadtähnliche Gemeindewesen, besonders solche, die im 11. und 12. Jahrhundert ihren Ursprung haben, verdanken ihre Entstehung einer Ansiedlung neben einem gräflichen Burgsitz. So auch Rodenberg.

Als nämlich die Vorfahren der Schaumburger Grafen noch auf der
Rodenberger Burg saßen, siedelten sich mehrere ihrer adeligen Vasallen mit Hausleuten und Gesinde vor der Burg Rodenberg an, indem sie am Fahrdamm des Bohlwegs (heute Lange Straße, vorher Vorderstraße) ihre kleinen Ackerhöfe erbauten und von diesen aus die ihnen von den Grafen als Erblehen übertragenen Ländereien bewirtschafteten.

Mit der Ansiedlung der Vasallen wurden Handwerker, Handels- und Ackerleute herangezogen, welche sich ebenfalls am Fahrdamm an ansiedelten und so wurde der Damm auf beiden Seiten allmählich bebaut und es entstand damit eine förmliche Straße, welche den  Namen Lange Straße erhielt. Als dann mit den Jahren weiterer Zuzug erfolgte, wurde eine zweite Straße angelegt, die man Echternstraße (oder Hinternstraße) nannte. An dieser entstanden aber keine Vasallenhöfe, denn hier siedelten sich nur Handwerks-, Ackers- und Arbeitsleute an.

In den folgenden Jahrzehnten wurde die Stadt befestigt – zum Teil mit Mauern und Türmen – aber auch die Aue und viele Stadtgräben waren Teil der Befestigung. Im Ergebnis bildete sich eine befestigte Stadt mit besonderen Regeln für die Ansiedlung von „Fremden“. Die Regeln entstanden aus dem Umstand, dass sich die Siedlungsfläche nicht beliebig vergrößern ließ sondern durch die Stadtbefestigungen bestimmt war. Wir erinnern uns: Rodenberg, Grove, Mühlenstraße und Tor waren damals alle eigenständige Gemeinden.

Irgendwann, es muss vor dem Jahr 1282 gewesen sein, wurde die befestigte Stadt aufgeteilt zu weitgehend gleich großen Grundstücken.  Man begann hinter der Kapellegate mit der Nr. 1 (Lange Str. 53, heute Floristika) und allen folgenden Häuser – immer auf der linken Seite – erhielten die nächste aufsteigende Hausnummer Nummer (Konskriptionsnummerierung). Heraus kamen genau 65 Grundstücke. Gegenüber der Nr. 1 befand sich nun die Nr. 63, (Lange Str. 48, heute Bäckerei Hünerberg). Die Nr. 64 und 65 (heute Sparkasse und die Fleischerei Rauch) bildeten das (ganz) alte Rathaus.

Plan von Rodenberg, Stand 1871 mit alten Hausnummern. Bearbeitet von H. Finger. Klick für groß.

Wurde später ein Grundstück geteilt, behielt die ein Hälfte die alte Nummer, die zweite Hälfte bekam die alte Nr. mit dem Zusatz ½. So besaßen meine Vorfahren, die Böhlings das Grundstück 59 (alte Amtsstraße, frühere Pizzeria). Als das Rathaus dem Brand 1859 zum Opfer fiel, baute man es danach größer wieder auf und es wurden dazu Teile des o.a. Grundstücks von den Böhlings erworben. Das Böhling’sche Grundstück trotz fortan die Nummer 59½.

Warum wurden die Hausnummern vor dem Jahr 1282 vergeben? Am östlichen Ende der Echterstraße wurde in dem Jahr die Stadtkapelle mit dem Totenhof errichtet, gut zu erkennen auf der nebenstehenden Skizze von 1620, die Mithof für die Chronik anfertigte. Für die Kapelle wurde das Grundstück Nr. 7 verwendet. Später kaufte die Stadt auch das südlichere Grundstück Nr. 8 für den städt. Totenhof.

Als im Jahr 1629 die Kapelle abgebrannt war und nicht wieder aufgebaut wurde, war der Zuschnitt der Grundstücke Nr. 7 und 8 wie vor dem Bau der Kapelle. Beide wurden mit Wohn- und Handwerkshäusern bebaut. Nr. 7 war das Haus der Hartmanns, aus der die gleichnamige Dachdeckerei hervorging. Deren Seniorchef hat mir ein alten Bild mit der gut sichtbaren Nr. 7 zur Verfügung gestellt.

Fam. Hartmann vor dem Haus Nr. 7 , heute Echternstraße 35. Klick für groß

Anders als in Grove habe ich in der Stadt Rodenberg keine alte Nummer an den Häusern gefunden. Vielleicht habe ich sie ja übersehen. Oder ihr habt noch ein Bild mit der alten Hausnummer? Einfach melden…

Im Jahr 1939 wurden die Hausnummer, ebenso wie in Grove, die Konskriptionsnummern auf die heute geltenden Orientierungsnummern (eine Straßenseite ungerade Nummern, andere Straßenseite gerade Nummern) umgestellt.

Coberg – die Reaktionen aus Rotenburg/Fulda

Ein 370 Jahre verschollener Sohn der Stadt Rodenberg wurde wiedergefunden! 
Teil 1/3 erschien hier.
Teil 2/3 erschien hier.
Teil 3/3 erschien hier.
In dieser zunächst letzten Folge der Geschichte um Johann Anton Coberg möchte ich euch von den Reaktionen aus Rotenburg/Fulda berichten.

Die Ergebnisse unserer Recherche (Teil 1-3) hatte ich an die Lokalzeitung für Rotenburg, die Hessisch-Niedersächsische Allgemeine (HNA) gegeben. Am 28.07.2020 erschien dann fast eine Seite zu dem Thema.

„Klick“ für groß

Der obere der beiden Artikel spricht einen „kulturhistorischen Diskurs“ an, der von meiner Seite angeboten worden sei. Tatsächlich habe ich in Rotenburg Ansprechpartner gesucht mit dem Ziel, unsere Ergebnisse von kompetenter Rotenburger Seite bestätigen oder widerlegen zu lassen – und dass, bevor es in irgendeiner Presse erscheint, weder in Rotenburg noch in Rodenberg. Dieses Vorgehen ist seriös und folgt dem handwerklichen Rahmen eines Historikers. Nebenbei hätten evtl. vorhandene kompetenten Stellen in Rotenburg die Möglichkeit gehabt, ihren Irrtum einzugestehen und die Leser selbst über „neue Forschungsergebnisse“ zu informieren.

Wie im Artikel vermerkt gab es seitens des „Kultur- und Tourismusvereins“, der immerhin das Rotenburger Museum betreibt, keinerlei Reaktion und der Kontakt bei der Stadtverwaltung war wenig ergiebig und verlief im Sande. Ein Interesse an Coberg war dort nicht zu erkennen, was sich auch im Zeitungsartikel ausdrückt: „Im Grunde kennt ihn niemand und nur wenige wissen, wo das Denkmal überhaupt steht.“ Fazit: Nun lasst uns ihn mal schnell loswerden…

Diese Haltung wird der Person J. A. Coberg nicht gerecht und auch nicht seinem Geburtsort, der Stadt Rodenberg. Nicht nur in gedruckten Publikationen, sondern allein im Internet gibt es zahllose Quellen, die den Geburtsort Cobergs in Rotenburg verorten. Das wird auch noch über Jahre so bleiben …
Über Jahrhunderte hat sich die Stadt Rotenburg mit Coberg als „großen Sohn der Stadt“ geschmückt und ihm ein Denkmal gesetzt. Nun, wo man eingestehen muss, das er nicht in Rotenburg geboren wurde, „kennt ihn niemand und nur wenige wissen, wo das Denkmal überhaupt steht“. Weiter heißt es sinngemäß: Wie er ausgesehen hat, weiß sowieso keiner, denn es gibt kein Bildnis von ihm.
Auf der anderen Seite ist es für eine Stadt peinlich, die Person Coberg (über Jahrhunderte) auf allen Kanälen in den Vordergrund zu rücken und sich mit seiner Person zu rühmen, ohne auch nur einmal ernsthaft Nachforschungen zu seiner Herkunft betrieben zu haben.

Sei’s drum: Wir Rodenberger haben nun neben Julius Rodenberg, dem Goethe Freund, Architekten und Pompeji – Forscher Wilhelm Zahn, dem russische Hofrat Prof. Georg Böhling, dem Braumeister Kinkeldey und dem Bankier Wilhelm Ludwig Deichmann u.a. einen weiteren großen Sohn: Den Barockkomponisten und – Musiker Johann Anton Coberg, der zu seiner Zeit an den Königs- und Fürstenhöfen ein- und ausging. Sein Leben und Wirken muss natürlich noch weiter erforscht werden, damit er als großer Sohn der Stadt auch wahrgenommen wird.

Die Geschichte wird in den nächsten Tagen in den Schaumburger Nachrichten und im Schaumburger Wochenblatt erscheinen. Ferner ist eine Veröffentlichung im Springer Jahrbuch und im Bach-Jahrbuch vorgesehen. Mit den letztgenannten Publikationen  erreichen wir ein Fachpublikum, welches die Fakten zu dem Geburtsort Cobergs wissenschaftlich diskutieren kann.

Ist der Barockkomponist und -Musiker Coberg ein Rodenberger? (3/3)

von Hubert Finger, Arno Paduch, Joachim Siebold, Rudolf Zerries

Ein 370 Jahre verschollener Sohn der Stadt Rodenberg wurde wiedergefunden!  Die Geschichte ist spannend  und umfangreich zugleich, weshalb sie als Dreiteiler erscheint.
Teil 1/3 erschien hier.
Teil 2/3 erschien hier.

Die Gedächnispredigt für den im Jahr 1744 verstorbenen Sohn von J. A. Coberg

Diese Quellen (aus Teil 1. und 2.) alleine dürften schon die meisten Zweifel beseitigen, dass Johann Anton Coberg in Rodenberg in Schaumburg geboren wurde. Das Fehlen eines Geburtseintrags in den Rodenberger Kirchenbüchern ließe vielleicht noch Zweifel zu, die aber restlos durch die unter „Personalia“ ver­zeichneten Angaben in der Gedächnispredigt für Bernhard Heinrich Coberg, ein Sohn Johann Anton Cobergs, ausgeräumt werden:

„Es wurde der Wolselige im Jahr 1672. den 17ten Sept. zu Hannover gebohren. Sein Vater war, Herr Johann Anton Coberg, Chur-Fürstl. Braunschweig. Lüneb. Kammer-Musicus und Hof-Orga­nist zu Hannover; der im Jahr 1708. am 17ten Decembr. in Berlin, wohin er von noch lebender und jetzt verwittweter Königin von Preussen Majestät begehret worden, selig verschieden.

Der Groß-Vater, väterlicher Seite, war, Herr Henrich („Henricus“) Coberg, Bürgermeister zum Rodenberge im Heßischen. (s. Flügge 1744, S. 40)“

Ausschnitt aus der „Gedächtnispredigt für den verstorbenen Sohn von J. A. Coberg.

Schlussbetrachtung

Es kann somit kein Zweifel daran bestehen, dass Johann Anton Coberg in Rodenberg im heutigen Landkreis Schaumburg in Niedersachen geboren wurde, das zu seinen Lebzeiten als Teil des hessi­schen Anteils der Grafschaft Schaumburg unter Regentschaft der Landgrafen von Hessen-Kassel stand.

Man kann ferner annehmen, dass Coberg in der St. Jacobi Kirche in Rodenberg getauft und konfir­miert wurde. Genau in dieser Kirche ist im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Kulturkirche St. Jacobi“ für das Jahr 2022 ein Konzert mit dem „Johann Rosenmüller Ensemble“ unter der Leitung von Arno Paduch geplant. Anlässlich dieses Konzerts soll eine Komposition von Coberg aufgeführt werden, die sich in einer Sammlung aus dem Besitz von Johann Sebastian Bach findet. Sein älterer Bruder Johann Christoph Bach hatte sie eigenhändig kopiert (vgl. Möllersche Handschrift).

Ein neuer/alter, aber auf jeden Fall großer Sohn der Stadt kehrt nach 370 Jahren zurück an seinen Geburtsort, und die Rodenberger können es akustisch miterleben!

Die verwendeten Quellen findet ihr hier: Quellen_1.

Ist der Barockkomponist und -Musiker Coberg ein Rodenberger? (2/3)

von Hubert Finger, Arno Paduch, Joachim Siebold, Rudolf Zerries

Ein 370 Jahre verschollener Sohn der Stadt Rodenberg wurde wiedergefunden!  Die Geschichte ist spannend  und umfangreich zugleich, weshalb sie als Dreiteiler erscheint.
Teil 1/3 erschien hier.

Wir erinnern uns an den Schluss von Teil 1/3: Der Schlüssel zur Lösung dieses Rätsels liegt in der Angabe, Cobergs Vater sei Bürgermeister in seiner Geburtsstadt gewesen …

Kirchenbuch- und Chronikrecherche

In Rotenburg an der Fulda beginnen die Kirchenbücher im Jahr 1631 (Rotenburg-Neustadt) bzw. 1696 (Rotenburg-Altstadt). Im Kirchenbuch von Rotenburg-Neustadt finden sich allerdings keine Hinweise auf die Geburt des Johann Anton Coberg. Auch konnte der Rodenberger Lokalhisto­riker Hubert Finger dort keinerlei Hinweis auf den Namen / eine Familie „Coberg“ zur fraglichen Zeit finden und deshalb auch keinen Bürgermeister mit dem Namen „Coberg“. Allerdings war als Folge des dreißigjährigen Krieges die Einwohnerzahl der im Jahr 1607 vereinigten Alt- und Neustadt im Jahr 1648 auf 54 Männer und 12 Frauen zusammengeschmolzen (vgl. Geschichte/Chronik von Rotenburg a.d. Fulda, Eintrag zum Jahr 1648).

In Rodenberg im heutigen Kreis Schaumburg hingegen ist die Familie Coberg vielfach belegt. Die Kirchenbücher in Rodenberg beginnen erst ab dem Jahr 1665 – zur Erinnerung: J. A. Coberg wurde 1650 geboren – allerdings ist bereits in der Chronik der Stadt (vgl. Mithoff 1912, S. 295) im Jahr 1648 der „erste Rottmeister Henricus Koberg“ er­wähnt. Im Kirchenbuch von Rodenberg findet sich der Beerdigungs/Sterbe-Eintrag von „Bürger­meister Henricus Coberg“, gestorben am 17.03.1678 (s. Kirchenbuch Rodenberg: Begrabene Anno 1678, Seite 56, 10. Eintrag).

Beerdigungs/Sterbe-Eintrag: Bürgermeister Henricus Coberg von 1678

Der in der Chronik erwähnte „erste Rottmeister“ war offenbar zum Bürgermeister aufgestiegen und ist der von Mattheson erwähnte Vater des 1650 geborenen Johann Anton Coberg.

Des Bürgermeisters Witwe Elisabeth Coberg verstarb im Jahr darauf (s. Kirchenbuch Rodenberg: Begrabene Anno 1679, 15. Mai, Seite 60, 10. Eintrag):

Beerdigungs-Sterbe-Eintrag der „nachgelassenen Witwe des Henricus Coberg“ von 1679

Die Familie Coberg findet sich in weiteren Kirchenbucheinträgen. Hier sei nur beispielhaft genannt: Im Jahr 1669 in dem Beerdigungs-/Sterbeeintrag des Sohnes Liborius Dieterich von Henricus Coberg (s. Kirchenbuch Rodenberg: Begrabene Anno 1669, 28. November, Seite 18, 3. Eintrag), ein offenbar früh verstorbener Bruder des Johann Anton Coberg. Des weiteren ging 1669 Johann Anton Cobergs Schwester Elisabeth Hedewig aus Rodenberg zur Konfirmation (s. Kirchenbuch Rodenberg: Konfirmanden Anno 1669, Seite 134, rechte Spalte, 13. Eintrag).—————————————————————————
Für Historiker, auch wenn man diese Passion als Hobby betreibt, gibt es die Regel, dass mindestens zwei unabhängige Quellen die Annahme bestätigen müssen. Deshalb ging die Recherche weiter ….

Teil 3 „Die Gedächtnispredigt für den verstorbenen Sohn von J. A. Coberg“ und die Schlussbetrachtung erscheint am 11.08.2020

Ein weiterer Teil mit den Reaktionen aus Rotenburg/Fulda und den aus Rodenberg erscheinen anschließend in loser Folge …

Ist der Barockkomponist und -Musiker Coberg ein Rodenberger? (1/3)

von Hubert Finger, Arno Paduch, Joachim Siebold, Rudolf Zerries

Ein 370 Jahre verschollener Sohn der Stadt Rodenberg wurde wiedergefunden!  Die Geschichte ist spannend  und umfangreich zugleich, weshalb sie als Dreiteiler erscheint.
Auf die Spur hat uns übrigens der Musikdozent Arno Paduch gebracht. Besten Dank noch einmal auch von hier!!! Besten Dank auch an meine Co-Autoren Joachim und Hubert!

Wer war Johann Anton Coberg?

Das renommierte musikwissenschaftliche Nachschlagewerk MGG schreibt über J. A. Coberg: „geb. 1650 in Rotenburg an der Fulda (Hessen), †1708 in Berlin, Organist, Cembalist und Kompo­nist. Coberg kam als Junge an die Lateinschule in Hannover und erhielt seinen ersten musikali­schen Unterricht vermutlich bei dem Stadtkantor Johann Georg Gumbrecht (um 1664–1697). Spä­ter wurde er von den namhaftesten Mu­sikern der herzoglichen Hofkapelle, Cl. H. Abel und N. A. Strungk in Gesang, im Gamben-, Lauten-, Cembalo- und Orgelspiel sowie in der Komposition un­terwiesen.
Seit 1668 diente Coberg in der Hofkapelle, zunächst als Diskantist, schließlich als Gambist und Cembalist. (…) Coberg, der mit der Spielweise der französischen Clavecinisten vertraut war, avan­cierte zum Organisten der Neustädter Hof- und Stadtkirche St. Johannis und 1681 zum Hoforg. an der lutherischen Schloßkirche. (…)
Johann Anton Cobergs Wirken am Hof in Hannover fällt in die kulturelle Blütezeit des Hoflebens unter der Herrschaft des aufgeklärten Herzogs (ab 1692 Kurfürsten) Ernst August. Seine Wertschät­zung als Musiker und Pädagoge lässt sich daran erkennen, dass er Zutritt zu dem erlesenen Zirkel um die Prinzessin Sophie Charlotte, den Hofkpm. A. Steffani und G. W. Leibniz erlangte.“ (s. Fischer, 2016 im MGG)

Der Wunstorfer Dozent Arno Paduch an der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig schreibt zu Coberg: „Als Organist am Hof zu Hannover und mit engen Verbin­dungen auch zum Berliner Hof war Coberg zu seinen Lebzeiten ein bekannter Komponist. Musika­lisch gehört Coberg zu der Komponistengeneration, die am „alten“ Stil z. B. des Heinrich Schütz und Johann Hermann Schein geschult waren und den neuen italienischen Opernstil Cavallis und Legrenzis adaptierten. Diese damals vollkommen neue Musik dürfte das gewesen sein, was den jun­gen Johann Sebastian Bach an Coberg interessiert haben dürfte.“

Der Kirchenbucheintrag in Berlin im Jahr 1708 lautet: Den 9.ten Dec. ist Hr. Coberg, Music. zu Hannover auf Ordre des Crohn-Printze Königl. Hoheit, alhier in einem Gewölbe, solemniter (=feierlich) beygesetzet worden (s. Landeskirchliches Archiv in Berlin).

Zurück zum MGG-Eintrag: Gebo­ren ist Coberg im Jahr 1650 (vgl. Matthe­son 1740, S. 37). Er unter­richtete die hoch gebildete und sehr musikinteressierte „Kurprinzes­sin von Hannover“ und späte­re preußi­sche Königin Sophie Charlot­te (Schloss „Charlottenburg“). Auch nach Sophie-Charlottes Tod im Jahr 1705 genoss er offensichtlich weiterhin hohes Ansehen am Berliner Hof. 1708 verstarb er bei seinem letzten Aufenthalt in Berlin und wurde auf Anordnung des Kronprinzen und späteren Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. dort sehr ehrenvoll beigesetzt (s. Landeskirchliches Archiv in Berlin). Das Lan­des­geschichtliche Informationssystem Hessen vermutet seinen Tod +17.12.1708 in Hannover (s. LAGIS), der nebenstehende Berliner Kirchen­bucheintrag vom 9. Dez. 1708 lässt aber eher auf Berlin als Be­stattungsort schließen.

Quelle: https://statues.vanderkrogt.net/

Hinsichtlich des Geburtsortes von Coberg ist sich die Stadt Rotenburg im heutigen Bundesland Hes­sen offenbar sicher, setzte sie ihm im Jahr 2013 doch ein Denkmal in Form einer Bronzestatue. Er­wähnt wird Coberg als ein „Sohn der Stadt“ auf der Webseite von Rotenburg/Fulda.
Tatsächlich gibt es genau eine historische Quelle, die dazu geeignet sein könnte, Rotenburg/Fulda als Geburtsort Cobergs zu verorten: ein Artikel in dem Buch „Grundlage einer Ehren-Pforte“ vom Musikpublizisten Johann Mattheson aus dem Jahr 1740.

 

Erste Zweifel am Geburtsort Rotenburg/Fulda

„Johann Anthon Coberg ist An.1650 im Städtlein Rotenburg, an der Fulda, zur Graffschaft Schauenburg, niederhessischen Antheils, gehörig, auf diese Welt gebohren. Sein Vater ist desselben Ortes Bürgermeister gewesen.“ (s. Mattheson 1740, S. 37).

Mit diesen Worten leitet Johann Mattheson den Artikel zum Komponisten Johann Anton Coberg in seiner „Grundlage einer Ehren-Pforte“ von 1740 ein. Ein Leser, der über Grundkenntnisse der Terri­torialgeschichte des damaligen Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation im 17. Jahr­hundert verfügt, wird einen grundlegenden inneren Widerspruch in diesen Zeilen erkennen. Zwar lag und liegt die Stadt Rotenburg an der Fulda in Hessen, gehörte aber niemals zur Grafschaft Schaumburg. Beim hessischen Anteil der Grafschaft Schaumburg handelte es sich um das Amt Schaumburg, Rinteln an der Weser und um das Amt Rodenberg mit der gleichnamigen Stadt. Diese Gebiete fielen mit Beendigung der Erbauseinandersetzung nach dem Tode des Grafen Otto V., dem letzten Graf von Holstein-Pinneberg und Schaumburg, im Jahr 1647 an Hessen-Kassel (vgl. Schmidt 1920, Ka­pitel 6, auch Wippermann 1853, S. 2712, 274 u. 275). Hierzu ge­hörten sie bis zum Jahr 1866. Heute sind sie Bestandteil des Landkreises Schaumburg in Nieder­sachsen.

Dem aufmerksamen Leser stellt sich somit die Frage, welche Aussage Matthesons falsch ist. Stammt Coberg aus Rotenburg an der Fulda und der Verweis auf Schaumburg ist ein Versehen, oder waren Mattheson, bzw. seinem Zuträger, die territorialen Verhältnisse zwischen Weser und Leine nicht geläufig, so dass er eine Stadt Rodenberg in Hessen nur als Rotenburg an der Fulda verorten konnte?

Der Schlüssel zur Lösung dieses Rätsels liegt in der Angabe, Cobergs Vater sei Bürgermeister in seiner Geburtsstadt gewesen …
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Teil 2 „Kirchenbuch- und Chronikrecherche“ erscheint am 04.08.2020,
Teil 3 „Die Gedächnispredigt für den verstorbenen Sohn von J. A. Coberg“ und die Schlussbetrachtung erscheint am 11.08.2020

Unsere Bauern – und einer übertreibt richtig …

„Über was meckern die Bauern, wenn nicht übers Wetter? Richtig: Über die Lieferzeiten von Mercedes..!

Ok, der Kalauer stammt aus den 70ger Jahren des letzten Jahrhunderts. Damals ging es den Bauern noch gut und Mercedes hatte tatsächlich lange Lieferzeiten für sein Modell W123, auch „Bauernmercedes“ genannt. Zu der Zeit gab es noch mehr als 1 Mio. landwirtschaftlich betriebene Höfe. Heute sind es weniger als ein Viertel. Rodenberg hat neben dem Domainenbetrieb noch zwei Vollerwerbsbetriebe, die nur deshalb überleben, weil ein Großteil der Einnahmen aus Subventionen besteht. Wenn ihr wissen wollt wie viel für jeden Einzelnen: hier geht’s zur Datenbank.

Die gesellschaftliche Akzeptanz der konventionell wirtschaftenden Landwirte liegt derzeit nahe am Nullpunkt. Während deren Erzeugnisse ins Ausland exportiert werden bleibt die Gülle und andere Hinterlassenschaften in unserer einstigen Natur- und Kulturlandschaft. „Grüne Wüsten“ sind das Ergebnis mit schnurgeraden Wegen und Bächen. Die wenigen Bäume und Sträucher gibt es allenfalls an der Autobahn – sie stören ja auch sonst die intensive Bewirtschaftung.

Dass bei dieser gänzlichen Umwälzung auch die vormals so reiche Flora des Feldes sehr gelitten hat, ist wohl erklärlich, ebenso auch, dass manche Tierarten, besonders aber mehrere Vogelarten, ganz oder fast ganz verschwunden sind. Denn allen diesen Geschöpfen wurden mit der Ausrottung der Hecken und Bäume im Felde ihre Wohnstätten, Nistplätze und ihre Nahrung genommen. Genannt seien der Wiedehopf, Kiebitz, Pirol, Kolkrabe, Eisvogel, Fasan, Bussard und Falke, welche nebst sonstigen nun verschwundenen Vogelarten vordem unsere Fluren belebten.

Dieses Zitat von unseres Stadtchronisten A. Mithoff ist 150 Jahre alt. Er beschreibt die Ergebnisse der ersten Verkoppelung. Einen Auszug aus der Chronik gibt es hier zum herunterladen: Chronik_Verkoppelung_1

Ich habe Zweifel, dass diese Konflikte von einem gegen sein eigenes Klientel arbeitenden Lobbyisten namens „Bauernverband“ und einer ehem. Weinkönigin an der Spitze des zuständigen Ministeriums gelöst werden können. Natürlich haben auch wir als Verbraucher einen Anteil am Dilemma!

Warum schreibe ich das? Weil ich mich fast täglich über die Unvernunft in der Feldmark rund um Rodenberg ärgere. Beispiel: Da laufen kurz nach einem Sommerregen die Dränagen und wenige Wochen später beschwert man sich über die trockenen Felder! Ich warte nur auf die ersten Brunnen zur Bewässerung der Felder …

Einer der Kollegen hat es nun ein wenig übertrieben. Auf einer Grünlandfläche zwischen der BAB 2 und dem Deisterrand wurde schon im letzten Jahr wiederholt Erdreich angefahren, welches in der zerklüfteten Fläche in die Senken gefahren wurde. Ein Bachlauf wurde teilweise verrohrt und in der Fläche wurden Drainagerohre verlegt. Mit einem Radlader wurde das Gelände maschinengerecht  profiliert. Anfang April wurde dann die Fläche umgebrochen. Ade, ökologisch wertvolles Grünland …

Meine Anfrage beim Landkreis, ob das denn mit dem dortigen Landschaftsschutzgebiet vereinbar wäre, mündete nun in einem formellen Verfahren der Naturschutzbehörde gegen den Landwirt.

Der dort ausgesäte Mais sieht sehr kümmerlich aus. Aber das macht ja nichts, denn Subventionen gibt es viele bei „Land unterm Pflug …“.

Ach so: Bleibt noch zu ergänzen, dass es kein Rodenberger Bauer war. Wie heißt es so schön: „Der Name ist der Redaktion bekannt.“

Kinkeldey-, Bock- und Weiberbier …

So lautet der Titel des aktuellen Heftchens aus dem Rodenberg Verlag. Gut siebzig Seiten geben einen kompakten Einblick in das ehemals erfolgreiche Brauwesen der Stadt Rodenberg.

Hier der Klappentext des Büchleins:

„Einstmals brauten die 58 brauberechtigten Bürger von Rodenberg die unglaubliche Menge von zwei Millionen Liter Bier pro Jahr. Damit versorgten sie nicht nur den Ort, sondern auch die weitere Umge­bung mit ihrem Bier.
Möglich wurde dies durch die Verleihung des Bierbann-Privilegs im Jahr 1322 durch den Grafen Adolf von Schaumburg. Zwar hatten die Rodenberger von altersher ein gutes Bier gebraut, aber dieses Privilegium legte den Grundstein zu der hohen Blüte und Bedeutung, welche das Roden­berger Brauwesen später erreichte. Etwa um 1500 gab es einen weiteren wirtschaftlich bedeutenden Auftrieb, mit dem sich die Wohlhabenheit der Bürger nochmal weiter steigerte. Ausgelöst hatte diesen Boom der Rodenberger Braumeister Hans Kinkeldey, dem heute ein Brunnen auf dem zentralen Platz der Stadt gewidmet ist.

Neuauflage des Kinkeldey-Bieres anlässlich der 375-Jahrfeier im Jahr 1990.

Dieses Büchlein gibt einen Einblick in die wechsel­volle Geschichte der Rodenberger Brautätigkeit vom frühen Mittelalter bis in das 19. Jahrhundert.
H. H. H.“

Jetzt der Showstopper: Das Büchlein gibt es nicht zu kaufen! Der Verfasser möchte die wenigen Exemplare im Familienkreis verteilen. Die Deisterbuchhandlung hätte es gern ins Programm aufgenommen, aber urheberrechtliche Bedenken des Verfassers waren ausschlaggebend. Vielleicht gehört ja der ein- oder andere zu den Familienmitgliedern, welche eins der wenigen Exemplare ergattert …

Johann Anton Coberg …

Der aufmerksame Leser wird sich wundern, denn an dieser Stelle stand einmal ein Artikel mit ausführlichen Recherchen zu dem Barockmusiker und -Komponisten Johann Anton Coberg. Nun ist er verschwunden …

Wer den Artikel noch nicht gelesen hat: J. A. Coberg hat mehr mit unserer Heimatstadt Rodenberg zu tun als es zunächst den Anschein hat. Im ersten Überschwang habe ich das an dieser Stelle ausführlich dargelegt, ohne die eventuellen Befindlichkeiten an anderen Stellen zu bedenken. Es wäre nicht gut, wenn die „anderen Stellen“ über das Internet oder gar über die Presse von den neuen Erkenntnissen zu Johann Anton Coberg erfahren würden. Hier bedarf es noch ein paar Recherchen und Gespräche.

Mit Rücksicht darauf habe ich mich entschlossen, den Artikel zunächst wieder rauszunehmen. Ihr erfahrt es aber hier zuerst, was Johann Anton Coberg mit Rodenberg zu tun hat …

Besten Dank für euer Verständnis …